Gerechtigkeit

Die Jahre meines Berufslebens, in denen ich mich Fragen der Menschenrechte und des internationalen Strafrechts widmete - immerhin insgesamt fünfzehn Jahre - betrachte ich als Höhepunkte meiner Karriere. Zwischen 2001 und 2005 konnte ich in New York in verschiedener Weise zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs beitragen. 2007 fand auf meine Initiative in Nürnberg ene internationale Konferenz zum Spannungsverhältnis zwischen Frieden und Gerechtigkeit statt. 2017 war ich vier Monate lang der kommissarische Leiter der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, einer Institution, die durch Informations- und Fortbildungsmaßnahmen den Kampf gegen die Straflosigkeit von völkerrechtlichen Tatbeständen unterstützt: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. 


Aus: Goin' Home

"Stimmt es denn nicht, dass Vergeben wichtiger ist als strafen? Ist das nicht eine Kernbotschaft des Christentums und, bitte korrigiere mich, wenn ich mich irre, auch des Islam?" fragte López.
          "Gut, dass Sie fragen", antwortete Bukar. "In dem Bereich geht nämlich Vieles durcheinander. Als Einzelperson kann man natürlich verzeihen. Ihre Religion und viele andere fordern dazu auf. Was bedeutet das? Nicht mehr, als dass man aufhört, zu hassen und nach persönlicher Rache zu streben. Aber in der Justiz geht es nicht darum, das Du als Einzelperson mit dem Geschehenen ins Reine kommst, sondern darum, dass die Gemeinschaft ihre Ansichten von Gut und Böse bekräftigt und etwas dafür tut, um zukünftige Verletzungen von sich fernzuhalten. Über dieses gemeinschaftliche Interesse kannst Du als Einzelne nicht verfügen. Weder mit Deiner Vergebung, noch mit Deiner Weigerung zu vergeben. Einfach gesagt: Justiz ist nicht Privatsache."
(Auf den Einwand, dass es sinnvoll sein könnte, Verbrechensopfer zu befragen, welche Erwartungen Sie an die Justiz richten, antwortet Bukar:)
          "In einzelnen Gemeinschaften hat es (derartige) Umfragen bereits gegeben. Die Ergebnisse waren, zumindest dem ersten Anschein zufolge, sehr widersprüchlich. Zum Beispiel in Bama, wo Boko Haram Ende 2014 auf dem Boden liegende Zivilisten kaltblütig ermordet und dann den Ort gebrandschatzt hat. Eine deutliche Mehrheit sagte, Schadenersatz sei wichtig, aber die Bestrafung der Verantwortlichen noch wichtiger. Im Interesse des Friedens könne man aber auch auf Bestrafung verzichten. Ganz schön verwirrend, nicht wahr? Ich interpretiere das so, dass die Befragten zwischen ihren kurzfristigen und ihren langfristigen Erwartungen unterscheiden. Kurzfristig steht das Ende der Gewalt ganz oben. Ist ja klar. Aber langfristig... Ohne Bestrafung keine Abschreckung, sagten sie."

"Ich bin Gladys. Musikerin. Diplom in Querflöte. Arbeitslos. Nein, nicht ganz. Praktikantin, weil ich arbeitslos bin. Und das ist mein Punkt. Mir wurde als Musikerin gekündigt, weil ich als Schwarze katalogisiert wurde. Und López soll etwas weggenommen werden, nämlich ihr Recht, sich für eine gerechte Sache einzusetzen (die Strafverfolgung von Boko Haram-Verbrechen in Nigeria), weil sie sich nicht als Schwarze katalogisieren lässt? Habe ich da irgendwas falsch verstanden? Musik und Gerechtigkeit - sind die nicht universell? Kann das Katalogisieren nicht mal aufhören? Wer zum Teufel muss sich für meinen, oder für López' Gen-Code interessieren, wenn es um's Universelle geht?"