Europa

Aus: Der andere Ast

(Vorwort:)
Die fiktive historische Situation dieses Buches - ein kommunistisch regiertes Südtirol - mag auf Sie zunächst utopisch wirken. Aber waren einige Folgen des Zweiten Weltkriegs, die heute fester Teil der Geschichtsschreibung sind, nicht ebenso utopisch? Ein nuklearer Wettlauf zwischen Ost- und Westblock, der trotz der Erfahrungen von Hiroshima und Nagasaki beinahe zum Atomkrieg führt? Drei westliche Berliner Besatzungszonen, die bis 1989 inmitten des Ostblocks durchhalten? Die Gründung und der Bestand Israels? Nicht zuletzt: Ein tiefgreifender europäischer Einigungsprozess, der den beteiligten Staaten bis zum Ende des letzten Jahrhunderts und weit darüber hinaus Frieden beschert? Welcher dreißigjährige Europäer, der 1945 bereits zwei Weltkriege hinter sich hat und inmitten physischer und moralischer Trümmer lebt, hätte sich vorzustellen gewagt, dass aus diesen Utopien eine Realität wird?

(Aus einer Diskussion unter den jugendlichen Reformern:)
"Es geht ja nicht nur um punktuelle Forderungen, sondern um eine Vision für ein freies, demokratisches und solidarisches Südtirol als Teil eines geeinten Europas. Aber was für ein Europa? Darüber sind wir uns vielleicht sogar innerhalb der Bewegung nicht einig. Ein kapitalistisches, ein sozialistisches, eines, das die Nationalstaasten hinter sich lässt, so wie Battisti es vielleicht wollte? Oder wollen wir einfach nur einen freiheitlichen Rahmen, innerhalb dessen unterschiedliche Vorstellungen zur europäischen Zukunft in einen freien demokratischen Wettbewerb eintreten können?"

Aus: Michls letzte Reise

(Der demenzkranke Michl befürchtet ein Abrutschen in den Totalitarismus. Fatima, seine nigerianische Pflegerin, reagiert.)
          "Michl, siehst Du uns wirklich auf dem Weg in die Diktatur? Es gibt doch viele Menschen, die das mit allen Kräften verhindern wollen. Macht das nicht Hoffnung? In den USA wurde bei den Präsidentschaftswahlen Trump, der Scharlatan, abgewählt..."
          "So? Und deswegen ist jetzt alles wieder in Ordnung? Fatima, glaub einem alten, erfahrenen Mann wie mir. Das geht solange gut, bis es schiefgeht."
          "Mag sein, aber glaub Du ein bisschen mehr an die guten Menschen. An Petra, die sich für ein Europa einsetzt, in dem alle glücklich und friedlich zusammenleben können. An Bukar, der sich für die Gerechtigkeit einsetzt. Die Menschen sind nicht dumm. Gib ihnen eine Chance. Sie brauchen manchmal etwas Zeit, um den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu erkennen, aber am Ende verstehen sie, womit sie auf Dauer besser fahren. Bei uns sagt man: Am Baum der Lügen wachsen Blumen, aber keine Früchte."

Aus: Realistische Utopien...

Ein geeintes Europa ist ein politisches System, das für Viele, die nach 1945 auf Europas physische und moralische Ruinen schauten, ein Traum, eine Utopie war. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten wurde dieser Traum zum Teil Wirklichkeit. Als ein in Luxemburg aufgewachsenes Kind habe ich das miterlebt, einschließlich des Glücks und der Dankbarkeit, die mein Vater dafür empfand, mehr oder weniger umweglos von einem französischen Kriegsgefangenenlager in die erste Generation der europäischen Beamten aufzusteigen. 1989, als die Europa entzweienden ideologischen Verkrustungen aufbrachen, und in den Jahren danach gab es eine neue Chance für Europa, nicht nur größer, sondern auch besser, kohärenter und werteorientierter  zu werden. Auch diese Chance ist allmählich wieder verpufft. 

          Heute, angesichts enormer globaler Herausforderungen, die das Leistungsvermögen der Nationalstaaten übersteigen, scheint mir der Moment gekommen, die europäische Utopie wieder zu entfachen, bereichert durch unsere bisherigen Erfahrungen, einschließlich der Erfahrung, dass Europa dezentral sein muss, um demokratisch legitimierbar und in seinem alltäglichen Nutzen erfahrbar zu sein. Ein Europa der Regionen, warum nicht nach dem Vorbild der tatsächlich existierenden Europaregion Nordtirol-Südtirol-Trentino.

Übrigens: Ich wähle VOLT, die einzige Partei, die in ganz Europa ein einziges, europäisches Programm hat (statt mehr oder weniger pro-europäisch aufgehübschter nationaler Programme - von den anti-europäischen Parteiprogrammen mal ganz zu schweigen).